Als Fertiger auf Plattformen - Was heisst das langfristig?

Grosse (Internationale) Spieler: Kommt Das Amazon des Maschinenbaus und der Fertigung?

Fragen wir uns mal ehrlich: Wieviele der Anbieter, von denen sie im letzten Jahr auf Amazon Produkte gekauft haben, könnten Sie jetzt beim Namen nennen?

Ich kann Euch sagen, wie es bei mir ist: Einen einzigen, und das ist Amazon selbst. Ich buche auch Mietwagen über Plattformen und habe damit schon so oft Sixt, Enterprise und Co. durchgewechselt, dass ich Mietwagenbuchungen eigentlich nur noch mit der Plattform assozieren, auf denen ich stets buche. Hotels, Speditionsversand, Grafikerleistungen, Silikonmembranen, Werkstattsuche, Versicherungen: Ich kenne keinen der Anbieter wirklich, sondern verlasse mich auf Bewertungen und Services der Plattformen.

 

Ich möchte es auch ehrlich auf den Punkt bringen: Fast alle Produkte, die ich kaufe, sind für mich Commodities. Es ist mir egal, wer die Leistung für mich erbringt, solange sie ausreichend gut ("good beats great") und zu einem angemessenen Preis erfolgt. Das gleiche stelle ich auch im beruflichen Leben fest: Die Zeiten lokal konzentrierter Kompetenz sind lange vorbei. Wissen ist ebenfalls zu einem universellem Gut geworden und Erfahrungen werden mittlerweile auch in China, Indien und Co. (mehr) gemacht. Ich arbeite in einem Fraunhofer Institut und sogar da kann ich täglich sehen, dass das Mantra der wissenschaftlichen Weiterentwicklung und/oder der technischen Innovation nicht mehr greift. Das wissenschaftliche Bildungsniveau in unserer Gesellschaft ist so hoch, dass Unternehmen diese Kompetenz günstiger und schneller bei kleinen Firmen einkaufen können. Man muss nur den richtigen finden, der die Arbeit für einen erledigt.

 

Und genau auf diesem Grundzustand einer wirtschaftlichen Sättigung setzen Plattformen auch in der Fertigung auf: Sie vermitteln industriell-standardisierte Leistungen und machen sie auch für Personen verfügbar, die kein großes (Einkaufs-)Netzwerk aufweisen können. Die Intransparenz der Preise - ein Hauptmerkmal der Gewinnmaximierung in der Fertigung schwindet damit deutlich. In der Regel bestimmen nämlich die Plattformen die Preise, womit sich sogar für Kleinserien in der Fertigung erstmals eine deutliche Käufermacht in der Verhandlung zeigt.

Online sein oder garnicht mehr sein?

Bleibt die Frage, ob man da als Fertiger mitspielen will oder nicht. Oder fragen wir mal anders: Muss man da mitmachen, um morgen noch im Geschäft zu sein?  Leider hat das der Fertiger garnicht in der Hand: Die Ingenieure und Techniker, die seit Kindheit das Internet kennen, kommen nun in ein Alter, bei denen sie in Unternehmen zu Entscheidern werden. Sie sind es gewohnt sofort und transparent online einzukaufen. Lange Telefonate, eine Zeichnung mailen oder ewig Angebote verhandeln gehören nicht unbedingt zur Präferenz dieser Generation.In den USA kaufen bereits 42% der Ingenieure unter 40 Jahren ihre Bauteile online ein.

 

Natürlich haben größere Unternehmen diesen Wandel bereits erkannt und agieren entsprechend. Mit Finanzmacht versuchen die Fertiger sich frühzeitig im jungen Onlineumfeld zu positionieren. Interessant ist hierzu eine Studie der bayerischen Wirtschaft, die zu einigen bedeutenden Kennzahlen im Bezug auf Plattformen im B2B Umfeld eingeht:

 

Die Unternehmen bewerten den Einfluss der Plattformen auf ihre Rentabilität insgesamt positiv oder zumindest neutral. Nur eine kleine Minderheit von knapp 4 Prozent der Unternehmen berichtet von einem negativen Einfluss auf die Rentabilität. Dabei sind allerdings neben den direkten auch indirekte Effekte berücksichtigt. Mit der Einführung von digitalen Plattformen ist oft ein Modernisierungsschub oder eine grundlegende strategische Neuausrichtung verbunden, die durchaus rentabilitätserhöhend wirken können. Anders sieht es bei einer engeren projektbezogenen Rentabilitätsbetrachtung aus. Im Durchschnitt haben die Unternehmen die Rentabilitätsschwelle noch nicht erreicht. Die für den Aufbau und die Nutzung der Plattformen eingesetzten Kosten (9,3 Prozent der Umsätze) übersteigen die zusätzlich erwirtschafteten Umsätze (8,2 Prozent). Die Unternehmen befinden sich noch in der Investitionsphase. Gut 30 Prozent erwirtschaften mit den Plattformen keine oder noch keine Umsätze. Lässt man die Unternehmen unberücksichtigt, die noch keine Umsätze erzielt haben, dreht sich diese Relation um und die Zusatzumsätze sind höher als die Kosten.

Die Unternehmen erwarten in der Zukunft eine deutlich steigende Bedeutung der Platt-formen bei der Erreichung ihrer Unternehmensziele. Kaum ein Unternehmen geht von einer fallenden Bedeutung aus. Auch wird ein steigender Anteil der Wertschöpfung in Zu-kunft substanziell von Plattformen abhängen. In fünf Jahren wird erwartet, dass gesamt-wirtschaftlich betrachtet 11,5 Prozent der Wertschöpfung in den untersuchten Branchen substanziell von der Nutzung von Plattformen abhängen. Bei ähnlicher Wachstumsrate der Wirtschaft wie in den letzten fünf Jahre wäre das ein Wertschöpfungsvolumen im Bereich der Industrie und der industrienahen Dienstleistungen von 227 Milliarden Euro. Treiber dieser Entwicklung sind die bereits heute digital reifen Unternehmen. In dieser Gruppe soll der plattformabhängige Wertschöpfungsanteil in fünf Jahren 22 Prozent betragen; 2017 betrug er noch 14,3 Prozent. Ähnlich dynamisch schätzen die Entwicklung diejenigen ein, die bereits heute elaborierte datenzentrierte Plattformen nutzen.

Auch interessant ist ein Artikel des Handelsblatts, der mit dem Schlagzeile "Amazon für Geschäftskunden" schon auf den tiefgehenden, anstehenden Wandel hinweist. Zwar beziehen sich die im Artikel genannten Firmen hauptsächlich auf Rohstofflieferanten, aber der eigentliche Wandel bezieht sich eben auch auf die Fertiger. Weshalb hier von einer angeblichen Konkurrenzlosigkeit aus dem Silicon Valley ausgegangen werden sollte, ist mir schleierhaft: Xometry kauft hierzulande gerade mächtig zu und stellt sich strategisch auf eine Versorgung der Käufer aus Osteuropa ein.

Eine entscheinde Schlussfolgerung erkennt der Artikel aber genau: Deutsche Firmen (und vorallem größere Konzerne) wollen nicht im Backend versauern, sondern entwickeln selbst Plattformen für Ihre Produkte. Ich halte das für eine ebenso wichtige, wie strategisch auch richtige Entscheidung, denn gerade im B2B-Bereich ist Kundennähe, Kundenorientierung und die Kommunikation entscheidend für den Erfolg.

Mittel- Vs. Langfristiger Effekt

Egal ob beim Online-Fräsen oder dem Online-Shop für Laserteile, alle Plattformen versuchen die FErtiger als verlängerte Werkbank auf Ihre Seite zu bringen. Das Fertigungsunternehmen verkommt zum reinen Lohndienstleister und ist der Marktmacht der Plattformen ausgesetzt. So rosig die Ankündigungen auf Seiten wie Spanflug oder Laserhub klingen und so oft auch das Wort "Partner" genannt wird, die Sorgen der Fertiger sind immer die Gleichen:

  1. "Wir bauen unsere eigene Konkurrenz mit auf und befähigen sie sogar erst durch unsere Fertigungsmöglichkeiten."
  2. "Ich verliere nicht nur die Kommunikation mit dem Kunden, sondern auch jede Möglichkeit zur Kundenbindung."
  3. "Den Preisdruck aus Osteuropa oder Asien können wir nicht gewinnen."

Einerseits möchte mal also kurzfristig beim zukunftsträchtigen und riesigen Online-Markt mitmachen, andererseits aber auch langfristig nicht das Risiko der Vertikalintegration der Plattformen noch verstärken. Denn sind die Plattformen erstmal groß genug, werden sie sich sicher die lukrativsten Kuchenstücke nehmen und selbst fertigen, die Krümmel und unlukrativen Aufträge aber für die Fertiger übrig lassen.

 

Einige Plattformen agieren hier auch in einem mehrfachen Spannungsfeld. So bietet die Firma Spanflug einerseits Fertigern an, Aufträge aus der Plattform für sie zu fertigen. Andererseits wird mit „Spanflug für Fertiger“ eine Kalkulationslösung angeboten, mit denen Fertiger ihre Fertigungsanfragen schnell kalkulieren können.

 

Damit hat Spanflug natürlich einen cleveren Schachzug vorgenommen. Denn mit den Kalkulationen der Fertiger besteht die Möglichkeit die eigene Kalkulationssoftware und die Preisbildungsmechanismen stetig weiter zuverbessern. Andererseits gibt der Fertiger natürlich auch seine Kalkulation preis - was bis jetzt als höchstes Firmengeheimnis galt. So partizipiert man als Fertiger zwar kurzfristig an den Möglichkeiten der Digitalisierung, verscherbelt aber unter Umständen mittelfristig sein Tafelbesteck. Keine einfache Situation. Hier kommt noch dazu, dass die Geschäftsführung nicht ganz unabhängig agiert. Einerseits besteht bei Spanflug durch die Investition des VDW eine große Nähe zu den Maschinenherstellern, deren Interessen nicht zwingend mit den Fertigern eins sein müssen. Andererseits ist der Geschäftsführer von Spanflug auch Gesellschafter des elterlichen Maschinenbauunternehmens AWM Maschinenbau GmbH, womit sich die Frage stellen lässt, ob die „Goldstücke“ unter den Aufträgen wirklich fair unter den Fertigungspartnern verteilt werden. Eine schwierige Gesamtlage…

Online Shop Selber machen oder gefressen werden: Eine Kostenfrage?

Das führt uns auch schon zum unmittelbaren Fazit dieses Artikels: Online zu verkaufen wird in Zukunft unverzichtbar sein. Dafür ist die epochale Wandel des Käuferverhaltens zu ausschlaggebend und er ist auch schon zu erfahren. Die Frage ist nur, wie man es tut. Die Möglichkeit als Fertiger "im Backend" der Plattformen als Lohnfertiger aufzutreten erscheint zunächst bequem, aber wie heisst es so schön: "There is no free lunch". Langfristig baut man sich damit eine preisbestimmende Übermacht auf, die durch Vertikalintegration in der Lage ist das eigene Geschäftsmodell zu übernehmen.

 

Bleibt also die Option: Selber machen. Dazu braucht man allerdings in der IT sehr versierte Leute oder beauftragt eine Full-Service Agentur mit dem Auftrag. Die Kosten für die externe Umsetzung einer entsprechenden Seite inkl. Webdesign, Strategieberatung und technischer Entwicklung mit CAD-Analyse Funktionalität liegt je nach Komplexität zwischen 100.000-500.000 EUR. Interessant sind dazu die Zahlen des ibi, die von 1.007 Firmen erhoben wurden:

  • 85 Prozent der Unternehmen haben den eigenen Online-Shop – zumindest zum Teil – mit Hilfe eines Dienstleisters umgesetzt.
  • Über 50 Prozent haben dabei ein initiales Projektvolumen von über 100.000 Euro eingesetzt und 44 Prozent investieren jährlich mehr als 50.000 Euro

Es stehen also enorme Zukuntsinvestitionen an. Leider unausweichliche Investitionen.

 

Ich hoffe sehr, dass sich mehr Fertiger auf den Weg machen in diese Richtung, denn die Zukunft wird digital sein. Welche Auswirkungen das allgemein für Fertigungsunternehmen und Entwickler hat, könnt ihr auch nochmal in meinem Artikel über B2B Plattformen in der Fertigung lesen.

 

Wie immer freue ich mich über Eure Kommentare oder Nachrichten!

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