Online-Fertiger - wie steht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern da?

Paul Kühn

freiberuflicher Berater zur Digitalisierung im Maschinenbau.

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Denk kurz an den Fertiger bei dir im Industriegebiet, der seit Jahren für dich CNC-Teile fertigt oder Laserbleche schneidet. Bestimmt war es eine tolle Beziehung die letzten Jahre. Nur leider wird es diese Form von Unternehmen wohl bald nicht mehr geben. Es zeichnet sich eine Revolution in der Fertigung ab, die die Auftragsfertiger und Lohnfertiger überrollen wird. Die Welle der Online-Fertiger – und dabei handelt es sich um ein internationales Phänomen. Schon jetzt haben viele Länder ähnliche Angebote auf den Markt gebracht und verdrängen sukzessive die alten Spieler.

 

Das schwerste an diesem Artikel war es tatsächlich, die richtigen Begrifflichkeiten zu finden. Distributed manufacturing, manufacturing on demand, smart manufacturing, manufacturing-as-a-service (MaaS), Online-manufacturer, Rapid manufacturer, Cloud manufacturer, AWS der Fertigung. Es gibt quasi eine unendliche Anzahl an Beschreibungen, den die Online-Fertiger für einen einfachen Effekt finden: Die industrielle Fertigungslandschaft digitalisiert sich und damit kommen neue Spieler auf den Markt, die die alten Platzhirsche mit softwaregestützten Geschäftsmodellen verdrängen.

 

 

Wir sind es alle (ok, zumindest alle unter 50) gewohnt, Einkäufe und Besorgungen online zu tätigen. Die Online-Shoppingwelt ist stets verfügbar, ist preislich transparent und meistens ist es auch einfach bequemer drei Klicks zu machen, statt für ein paar Schuhe quer durch die Stadt zu fahren. Corona hat diesen Trend weltweit weiter verstärkt.

 

Im B2B-Geschäftseinkauf sieht die Welt nur vermeintlich noch etwas anders aus. Langjährige Lieferantenbeziehungen, Vertrauen und Langfristigkeit scheinen die Lieferantenwahl zu bestimmen. Das trifft allerdings alles mehr auf Serienteile zu, denn dort führen für den Käufer eventuelle Fehler oder Unzuverlässigkeit zu Problemkette, deren Kosten deutlich über die Beschaffungskosten der einzelnen Teile hinaus gehen.

 

Prototypen und Kleinserien dagegen zeichnet ein anderes Anforderungsprofil aus: Sie müssen für Entwicklungsabteilungen schnell , günstig und bequem zu beschaffen sein, denn jeder Tag Verzögerung beim Markteintritt kostet enormes Geld. Hier spielen Online-Fertiger ihre Stärke aus. Und "Rapid Protoyping" ist hier Kerngeschäft, auch wenn Sie alle gerne größere Serien abwickeln.

 

 

Ich beobachte die Welt der On-demand Fertiger seit Jahren genau und berichte auf meinen Blog regelmäßig über Trends, die Spieler und die Auswirkungen für die Industrie. In der englischsprachigen Literatur erscheint mir die Welt etwas auf die amerikanischen Unternehmen beschränkt zu sein, daher möchte ich heute eine etwas internationalere Sicht und auch einen Blick auf Deutschland bieten.

 

Die Niederlande: Heimat der Online-Fertiger in Europa?

 

 

Bisher war in den USA Protolabs der größte Anbieter für Prototypenteile. Das Unternehmen hat schon vor Jahren begonnen seine Angebotserstellung über eine Online-Maske abzuwickeln. Allerdings wurde die Angebote noch manuell kalkuliert und eingepflegt. Trotzdem hat Protolabs die Zeichen der Zeit rechtzeitig gehört.

 

2021 übernahm er den größten europäischen Online-Fertiger 3D-Hubs für 280 Millionen Dollar obwohl 3D-Hubs bis dahin nur etwa 20 Millionen Euro Umsatz (und wohl keinen Gewinn) machte. Alleine dieser Kaufpreis zeigt schon, wie zukunftsträchtig das Geschäft der Online-Fertiger von Protolabs eingeschätzt wurde. If you can’t beat them, buy them. Hat gut geklappt, würde ich sagen.

 

 

Tatsächlich gibt es in der Niederlande trotz der kleinen Größe noch einige weitere starke Unternehmen im Bereich 3D-Druck und on-demand Fertigung. 247 Tailorsteel gilt in Europa als Pionier der digitalen Beschaffung und ist damit auch zum größten Anbieter von Laserblechen aufgestiegen.

 

Deutschland: Auch Europas industrielles Power-House digitalisiert sich

 

In Deutschland erwirtschaftet der Maschinenbau 280 Milliarden Euro [Quelle]. Deutschland ist wahrlich das industrielle Power-House Europas. Entsprechend groß ist die Anzahl an Fertigungsunternehmen. Obwohl es in Deutschland nur etwa 80 Millionen Einwohner gibt, gibt es 8.000 deutsche CNC-Fertiger verschiedener Ausrichtung. Das Spektrum an Anbieter ist dabei sehr unterschiedlich. Sehr große Industrieunternehmen sind vor allem exportorientiert und übernehmen einen Großteil der Serienfertigung. Daneben gibt es aber eine kaum zu überschauende Anzahl an inhabergeführten Kleinunternehmen, die klassische Lohnarbeit durchführen.

 

 

Entsprechend ist es kein Wunder, dass die Deutschen auf den amerikanischen Angriff auf ihre Kernindustrie antworten und eigene Lösungen erarbeiten. Die nicht ganz einfachen sprachlichen Hürden und kulturellen Besonderheiten dienen dabei noch als Schutzwall.

 

 

So hat sich InstaWerk als Anbieter für CNC-Teile fest im Bewusstsein der Kunden etabliert. Dreh- und Frästeile werden über eine Online-Maske direkt kalkuliert. Das internationale Fertigungsnetzwerk ist zwar kleiner als der amerikanischen Konkurrenten, aber InstaWerk behauptet durch die Bündelung von Aufträgen relevantere Auftragsgrößen für seine Fertiger zu erzeugen und somit eine höhere Qualität und Datensicherheit sicherzustellen. Im Vergleich zu den offenen Marktplätzen der Konkurrenten ist das Konzept weniger schnell skalierbar, trifft aber bestimmt gut den deutschen Geist, der stets um Planbarkeit und Sicherheit bemüht ist.

 

 

Aber auch in der Laserbearbeitung tut sich einiges. Interessante Beispiele sind hier zum Beispiel Blexon (eigentlich aus der Schweiz) und Cutworks. Zwei klassische Fertiger, die den Weg in die Online-Welt suchen. Beide Anbieter haben Online-Lösungen entwickelt, mit denen sich einfach und bequem Laserteile bestellen lassen. Es ist also durchaus nicht so, dass sich Startups mit der Welt der Online-Bestellung befassen. Auch klassische Fertigungsunternehmen investieren teilweise erhebliche Summen, um zukunftsfähig gerüstet zu sein und kooperieren teilweise miteinander, um ein größeres Spektrum anzubieten.

 

Japan: Tradition und Moderne in der Online-Fertigung?

 

Die Länderliste lässt sich quasi endlos fortsetzen. Auch China, Indien, Italien und Frankreich entwickeln Lösungen für das Cloud-Manufacturing. Wer hier nach speziellen Referenzen sucht, kann gerne auf mich zukommen. Ich freue mich immer über einen digitalen Kaffee zu diesem Thema. Aber auch über Tipps zu Anbietern aus anderen Ländern freue ich mich 😊

 

 

Ein Länderbeispiel finde ich trotzdem bemerkenswert. Sogar in Japan - ein Land das langfristigen Denken, intensive Partnerschaften und Vertrauen wie kein anderes Land kulturell in seinem Geschäftsleben pflegt – findet ein Wandel zu Online-Fertigern statt.

 

Ein Leser (Danke Hiroshi! ) hatte mich auf NC-Network aufmerksam gemacht. Schon 1997 begann die Firma mit der Vision, eine „virtuelle Fabrik“ aufzubauen, die weltweite Fertigungskapazitäten verfügbar macht. Im Jahr 2020 wurde die Firma für 180 Millionen Yen von DI-NIKKO Engineering aufgekauft.

 

Die virtuelle Fabrik ist aber wohl eher eine Lieferantensuchmaschine. Die moderne Variante mit Instant-Preisfunktion baut nun aber in Japan CADDi. Das Startup hat größere Fonds als Investoren für sich gewinnen können und treibt die digitale Beschaffung von Blechen und anderen industriellen Teilen in Japan voran.

 

Schlussfolgerung: Der digitale Wandel ist international.

 

Es ist also durchaus nicht so, dass Industriestaaten wie Japan oder Deutschland das Feld der industriellen Fertigung so ohne weiteres amerikanischen Unternehmen überlassen werden. Tatsächlich spielt gerade in diesen beiden Ländern der „kulturelle fit“ eine große Rolle, so dass es abzuwarten bleibt, wie sich der Markt hier entwickelt.

 

 

Aber eines scheint klar zu sein: Der Markt der Fertigung bewegt sich in Richtung Online-Vertrieb. Das zeigen die vielen internationalen Beispiele eindrücklich. On ein Spieler hier ein Monopol wie Amazon bauen kann, wird aber abzuwarten sein.Genug Geld für Investitionen und Übernahmen scheint auf jeden Fall da zu sein.

 

Was denkt ihr? Wird es einen großen, internationalen Player wie Amazon in der Fertigung geben oder wird es viele kleinere Spieler in den einzelnen Ländern geben?

 

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